Arsenkatastrophe 1864


Die Fuchsin-Fabrik von Müller-Pack (rechts) lag am Riehenteich (unten) und der Liegenschaft der Familie Stampfer (links). Da das Reservoir (Reserv.) von Müller-Pack nicht Wasserdicht gebaut worden war, sickerten arsenhaltige Rückstände in das Grundwasser. Dieser Zustand war schon 1863 vom Kantonschemiker Dr. Goppelsroeder dem Sanitätscollegium berichtet worden, mit der Empfehlung, die Anlagen wasserdicht zu bauen, doch nichts geschah.

Am 3. Juni 1864 berichtete Goppelsroeder dem Sanitätscollegium, dass er von der Familie Stampfer, die neben der Müller-Packschen Fabrik beim Badischen Bahnhof wohnte, aufgefordert worden war, deren Sodbrunnenwasser zu untersuchen. Diese Familie litt unter Erbrechen, Durst, Fieber, Schlaflosigkeit und weiteren Symptomen, nachdem sie aus dem Wasser des Brunnens Tee bereitet hatte. Es stellte sich heraus, dass das Wasser stark mit Arsenik vergiftet war. Da schon mehrere Brunnen im Kleinbasel zugeschüttet worden waren, weil das Wasser nicht mehr brauchbar war, wurden alle Sodbrunnen bis zur Clarakirche hin untersucht.

Dabei zeigte sich bei einigen Brunnen bedeutende Arsenikgehalte. Der Boden des Riehenteichs, der näheren Umgebung der Fabrik und der Nachbarliegenschaft von Stampfer war bis über 20 Fuss mit Fuchsinfarbstoff und Arsenik verseucht. Dies liess sich durch Gräben feststellen, welche Goppelsroeder hat ausheben lassen (gestrichelte Umrisse auf der Planskizze).

Aufgrund der verheerenden Ausmasse beauftragte die Regierung eine Expertenkommission mit einer Expertise über die Anilinfarbenfabrikation. Am 24. Dezember 1864 wurde das Anilinfabrikgesetz erlassen, welches den Umgang mit den Giften regelte. Es mussten wasserdichte Infrastrukturen erstellt werden und Eisenröhrenleitungen bis in den Rhein.

Der Prozess gegen Müller-Pack wurde am 1. März 1865 abgeschlossen. Er war weitherum beachtet worden. Die Arsenvergiftung hatte bei den erkrankten Personen eine chronische Form angenommen und ging in lähmungsartige Erscheinungen über. Nur eine Person war geheilt, bei vieren gab es Hoffnung. Zwei Personen konnten nicht mehr auf eine Besserung der Lähmung hoffen. Müller musste eine hohe Busse sowie Entschädigung bei den Betroffenen bezahlen, z.T. in Form von Renten.

Die neuen Vorschriften und die Kompensationszahlungen an die Geschädigten konnte Müller-Pack finanziell nicht stemmen. Er ging konkurs und die beiden Fabriken kaufe J.R. Geigy zurück. Interessant an dieser Geschichte ist der für nachfolgende Katastrophen typische Ablauf: Warnungen werden trotz deutlichen Anzeichen in den Wind geschlagen, die Menge an Giftstoffen nimmt immer mehr zu, ein Anlass führt zur Katastrophe, danach setzt die juristische und politische Aufarbeitung ein, Vorschriften werden erlassen, die das Problem verlagern, in diesem Fall in den Rhein.

Markus Hämmerle: Die Anfänge der Basler chemischen Industrie im Lichte von Arbeitsmedizin und Umweltschutz. Basler Veröffentlichungen zur Geschichte der Medizin und der Biologie, XXXII, Buess, H. (Hg.), Basel und Stuttgart 1979, 47 - 51

1864 Anilinfarben 1860-1890 Rosental MuellerPack

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