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Arbeitsbedingungen 1885 in der Farbstoffproduktion Schweizerhalle
Auszug aus dem Baselbieter Heimatbuch Band 9. 'aus den Anfängen der schweizerischen Farbenindustrie' von Hans E. Keller siehe hier.
Löhne und Preise
Die Arbeiterschaft in der 'Rotfabrik' – wie die Petersensche Fabrik nach ihrem Hauptprodukt im Volksmund genannt wurde – rekrutierte sich zur Hauptsache aus den umliegenden Gemeinden Pratteln, Muttenz und Augst. An den heutigen Arbeitsverhältnissen gemessen, war ihr Los wenig beneidenswert. In aller Frühe machten sie sich zu Fuss auf, um ihren Arbeitsort zu erreichen. Über der Schulter trugen sie ein Zwilchsäcklein mit dem 'Znüni' und dem Tonkrug, der mit Kaffee gefüllt war.
Von einer Kantine mit Gemeinschaftsverpflegung wusste man damals noch nichts; doch war ihnen in der Regel ein Lokal zur Einnahme der Verpflegung reserviert. Das Mittagessen wurde ihnen von den 'Essensträgern' z.B. Buben und Mädchen aus den umliegenden Gemeinden, von zu Hause in den in Säcklein eingebundenen Essgeschirren überbracht.
In den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts schwankte die tägliche Arbeitszeit zwischen zehn und elf Stunden. Noch 1895 arbeitete die Hälfte aller Fabrikarbeiter um Basel herum über 60 Stunden in der Woche. In einigen Betrieben wurden im Sommer durchwegs elf und im Winter zehn Stunden gearbeitet, wobei allerdings in den Farbstoff-Fabriken die Zeit zum Reinigen und Umziehen in diesen Ansätzen inbegriffen war.
Im Allgemeinen wiesen allerdings die Farbfabriken die niedrigsten Arbeitszeiten auf.
Im Gegensatz zu den heutigen Arbeitsverhältnissen in der chemischen Industrie mit ihrer Spezialisierung trug die Fabrikarbeit den Stempel einer unqualifizierten Leistung und wurde auch entsprechend bezahlt.
Anfangs der Sechzigerjahre schwankten die Löhne in den Farbfabriken zwischen Fr. 13.- und Fr. 16.-in der Woche! Man kann also das Wocheneinkommen eines Rotfarbarbeiters mit durchschnittlich Fr. 15.- annehmen.
In den Färbereien kam ein Arbeiter bei 60 Wochenstunden auf Fr. 14.- bis Fr. 18.-; in der Posamenterei konnte man damals unter günstigen Umständen mit einem Wochenverdienst von Fr. 20.- rechnen.
Nach 1870 stieg der Wochenlohn in der Farbindustrie auf durchschnittlich Fr. 18.-, und um 1880 wurden minimal Fr. 18.-, maximal Fr. 24.45 ausbezahlt. Der Durchschnittslohn von Fr. 21.- blieb dann während fast zwei Jahrzehnten stationär.
Natürlich müssen diese Löhne mit den damaligen Lebensmittel und anderen Preisen verglichen werden: Das Pfund Käse erhielt man für weniger als einen Franken, das Pfund Reis für 20 Rappen, das Pfund Kuhfleisch für 40 bis 50 Rappen; der Liter Petroleum kostete 15 Rappen, ein Steinguttopf 20 Rappen usw.
Ausser der langen Arbeitszeit ist bei der Betrachtung der damaligen Arbeitsverhältnisse auch die gesundheitliche Schädigung der Arbeiter in Betracht zu ziehen. In der 'Rotfarb' wurde, wie bereits mitgeteilt, eine grosse Menge von Arsensäure verarbeitet, ein Gift, das sich ungünstig
auf die Verdauungsorgane auswirkt. Andere Schädigungen konnten sich aus dem Einatmen von giftigen Gasen ergehen. Natürlich kümmerten sich schon damals die Gesundheitsbehörden einigermassen um diese Schädigungen und machten ihre Bewilligungen von minimalen Vorsichtsmassnahmen abhängig. Beim Mahlen und Pulverisieren des trockenen Fuchsins suchten sich die Arbeiter durch das Umbinden eines Tuches um Mund und Nase zu schützen. Durch Wasch- und Badeeinrichtungen und die Abgabe von Arbeitskleidern beugte man dem Verschleppen giftiger Stoffe ausserhalb der Betriebe vor.
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